„Hererostein“

Neukölln

Der „Hererostein“ ist ein 1907 errichtetes Denkmal für, die im Krieg gegen Herero und Nama, gestorbenen Deutschen Soldaten der „Schutztruppen“. Das Denkmal ist ein problematischer Gedenkort, da es der Täter und nicht der Opfer des Genozids 1904 – 1908 erinnert. 

Der Findling auf dem Garnisonsfriedhof am Columbiadamm in Neukölln trägt eine Inschrift mit den Namen der sieben gestorbenen Soldaten und einer Widmung ihr „Andenken zu ehren“. Links auf seiner Oberseite trägt der Stein das Wappen des Verbands Deutsches Afrika-Korps e. V. (eine Palme auf rotem Grund mit dem Eisernen Kreuz und dem Schriftzug „AFRIKA 1941 1943“). Auf der rechten Seite befindet sich das Emblem des Traditionsverbands ehemaliger Schutz- und Überseetruppen.  Diese sog. Schutztruppen waren in der Zeit des deutschen Kolonialsystems die Exekutive in den besetzten Ländern Deutsch-Ostafrika, Kamerun und Deutsch-Südwestafrika. Zu ihren Aufgaben gehörte die Eroberung von Ländern, die Niederschlagung von Aufständen, “Grenzsicherung” und Sicherung von Expeditionen. Der historische Anlass zur Setzung des „Hererosteins“ war der Genozid an Herero und Nama 1904 – 1907 in der ehemaligen Kolonie „Deutsch-Südwestafrika“, bei dem die genannten deutschen Soldaten starben. Es war der erste Genozid im 20. Jahrhundert, bei dem wahrscheinlich 70 Prozent der Herero und 50 Prozent der Nama – zusammen über 70.000 Menschen – zwischen 1904 und 1908 von deutschen sog. Schutztruppen auf Befehl des Generalleutnants Lothar von Trotha erschossen, dem Tod durch Verdursten ausgesetzt oder in Konzentrationslagern umgebracht wurden.

Der Stein wurde 1907 erstmals auf dem ehemaligen Gelände des Kaiser-Franz-Garde-Grenadier-Regiments Nr. 2 in der Urbanstraße errichtet. 1973 wurde er auf Initiative der Afrika-Kameradschaft Berlin und des Traditionsverbands ehemaliger Schutz- und Überseetruppen restauriert und mit den heute noch sichtbaren Wappen versehen. Im Anschluss wurde der Stein an den heutigen Standort am Columbiadamm umgesetzt. Zusätzlich wurde vor ihm ein kleinerer Stein gesetzt, der mit seiner Inschrift „Den in Afrika gefallenen deutschen Soldaten zum ehrenden Gedenken“ die im Ersten und Zweiten Weltkrieg in Afrika gefallenen deutschen Soldaten in das Gedenken mit einbezog. 

Somit ist der Erinnerungsort nicht nur ein kolonialer sondern auch ein militaristischer und nationalsozialistischer Gedenkort in Berlin.

Stand der Umbenennung

Zum 100. Jahrestag der Schlacht am Waterberg im Jahr 2004 enthüllte der Trägerkreis „Erinnern – Deutsche Kolonialgeschichte aufarbeiten“, ein Zusammenschluss aus dem Berliner Entwicklungspolitischen Ratschlag e. V. (BER), der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus und dem Solidaritätsdienst International e.V. (SODI) am „Hererostein“ eine provisorische Erinnerungstafel mit der Inschrift „Zum Gedenken an die Opfer des deutschen Völkermordes in Namibia 1904–1908“. Die Tafel war nach wenigen Tagen verschwunden, 2005 auch der Gedenkstein für die Soldaten der Weltkriege.

2004 reichte der Bezirksverordnete Marcus Albrecht (SPD) bei der Bezirksverordnetenversammlung Neukölln einen Antrag auf Errichtung einer Gedenktafel für die Opfer des Genozids ein, der gegen die Stimmen der CDU und der FDP angenommen wurde. Seine Umsetzung verzögerte sich aber, hauptsächlich aufgrund von Auseinandersetzungen um den Text, wobei vor allem die genauen Opferzahlen und die Wertung als Völkermord strittig waren. 

Am 2. Oktober 2009 wurde die Gedenktafel vom namibischen Botschafter in Deutschland, Neville Gertze, in Anwesenheit des damaligen Bezirksbürgermeisters Neuköllns, Heinz Buschkowsky, enthüllt. Der „Namibiastein“ ist nach dem Umriss des heutigen Namibias geformt und aus polierten schwarzen Stein mit eingravierter Widmung. Sie gedenkt den Opfern der deutschen Kolonialherrschaft, erwähnt den Genozid aber nicht als solchen, sondern benennt ihn als „Kolonialkrieg“. Am unteren Ende der Tafel ist ein Zitat von Wilhelm von Humboldt eingraviert: „Nur wer die Vergangenheit kennt, hat eine Zukunft“.

Vertreter zivilgesellschaftlicher Gruppen, denen bei der Einweihung kein Rederecht zugestanden wurde, kritisierten den Text der Gedenkplatte bereits am 23. September 2009 in einer gemeinsamen Presseerklärung. Der damalige Neuköllner Baustadtrat Thomas Blesing (SPD) verwies dagegen gegenüber der taz auf den breiten Abstimmungsprozess in der Debatte um die Gedenktafel. „Der Text sei mit dem Auswärtigen Amt, der namibischen Botschaft, der Senatskanzlei und der Bezirksverordnetenversammlung Neukölln abgestimmt worden. Das Auswärtige Amt habe in der Diskussion um die Inschrift ‚dringend davon abgeraten‘, den Terminus Völkermord zu verwenden.“ Der Völkermord an Herero und Nama wurde allerdings erstmals 2015 vom Auswärtigen Amt und 2021 von der Bundesregierung anerkannt.

Unsere Empfehlung

Auch die Intervention durch eine Gedenktafel, kann die koloniale Gewalt, die der „Hererostein“ symbolisiert, nicht aufheben. Die Platzierung der beiden Gedenksteine setzt die Tode auf „beiden Seiten“ auf eine augenscheinlich vergleichbare Ebene. Auch wird in der vom Bezirksamt gesetzten Gedenktafel das Wort „Genozid“ nicht erwähnt. „Die ‚Opfer des Kolonialkrieges‘ sind am sogenannten ‚Hererostein‘ auf eine 2009 hinzugefügte schwarze Steinplatte im Boden reduziert, ihren Mördern zu Füßen.“ (Taz) Der Gedenkstein ist darüber hinaus das einzige Denkmal im öffentlichen Raum, das an den Genozid an Herero und Nama erinnert.

Wir empfehlen eine inhaltliche Aufarbeitung des Genozids am Gedenkort, die verschiedene Opferverbände und dekoloniale Initiativen einbindet und das Geschehene z.B. in Form einer Ausstellungswand sichtbar macht. Zusätzlich empfehlen wir die Kreation neuer dekolonialer Gedenkorte im Berliner Stadtraum zur Erinnerung an die Opfer des Genozids.

Literatur

Ogette, Tupoka: exit RACISM. rassismuskritisch denken lernen, Münster 2017.

Ayim, May/ Oguntoye, Katharina/ Schultz, Dagmar (Hg.): Farbe bekennen. Afro-Deutsche Frauen auf den Spuren ihrer Geschichte, Berlin 1986.

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