Rückblick

Unsere Abschlusspräsentation zu Straßen, Plätzen und Denkmälern mit antiziganistischen Bezügen in Berlin

Am 17.10.2024 fand die Abschlusspräsentation unserer Veranstaltung zum von der Senatsverwaltung für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt geförderten Projekt “Antiziganistische Straßen, Plätze und Denkmäler im Berliner Stadtraum“ im Haus der Statistik statt. Wir haben uns sehr gefreut, nach einem Jahr Arbeit unsere Projektergebnisse zu präsentieren, die auch ab heute auf unserer Website einsehbar sind.

Antiziganismus in Deutschland: Ein kurzer Überblick

Antiziganismus bleibt ein schwerwiegendes Problem in Deutschland. Die Diskriminierung von Sinti:zze und Rom:nja zieht sich durch alle Lebensbereiche. Die Dokumentationsstelle Antiziganismus hat allein im Jahr 2023 210 Vorfälle erfasst. Seit 10 Jahren sammelt die Selbstorganisation Amaro Foro Meldungen von Betroffenen, und bis heute wurden über 1.500 Fälle dokumentiert. Es wird jedoch davon ausgegangen, dass die Dunkelziffer weit höher ist.

Besonders betroffen sind Sinti:zze und Rom:nja, wenn sie mit Behörden zu tun haben. Vor allem bei der Bundesagentur für Arbeit und der Familienkasse erfahren sie Diskriminierung, häufig aufgrund von Vorurteilen und rassistischen Zuschreibungen. Auch im Bildungsbereich ist die Lage alarmierend: Mobbing, Beschimpfungen und sogar physische Gewalt sind keine Einzelfälle. Oft wird in solchen Fällen den Familien selbst die Schuld zugeschoben – ihnen wird “Schuldistanz“ vorgeworfen, wenn ihre Kinder die Schule meiden, um den Anfeindungen zu entkommen. Leider kommt es auch immer noch vor, dass das Z-Wort in Schulbüchern auftaucht und von Lehrenden verwendet wird. Dies sind nur einige der vielen Formen des Antiziganismus, die in unserer Gesellschaft allgegenwärtig sind. Auch im Stadtraum gibt es weiterhin mehr oder weniger sichtbare Formen von tradiertem Antiziganismus.

Unsichtbarer Antiziganismus im Berliner Stadtraum

Unser Projekt „Antiziganistische Straßen, Plätze und Denkmäler im Berliner Stadtraum“ setzt sich mit dieser Problematik auseinander. Während Sinti:zze und Rom:nja im Laufe der deutschen Geschichte immer wieder diskriminiert, verfolgt und sogar ermordet wurden, werden ihre Verfolger:innen und Unterdrücker:innen weiterhin geehrt und erinnert. Es gibt in Berlin einige Straßen, die nach Persönlichkeiten benannt sind, die direkt oder indirekt an der Verfolgung von Sinti:zze und Rom:nja beteiligt waren. Diese Ehrungen im Stadtraum tragen dazu bei, diese Verfolgungsgeschichte unsichtbar zu machen. Ziel unseres Projekts war es, diese Berliner Stadtgeschichten sichtbar zu machen und den Antiziganismus aufzuzeigen, der auch heute noch in unserer Gesellschaft und im öffentlichen Raum präsent ist.

Kartierung der Unsichtbarmachung

Die Recherchen zu einer Auswahl dieser Orte haben wir gestern im Haus der Statistik vorgestellt. Wir berichteten von den größtenteils unbekannten nationalsozialistischen Vergehen von Ferdinand Sauerbruch, den antiziganistischen Schriften von Johann Heinrich Pestalozzi. Darauf folgte die Vorstellung der Recherche zur “Z*Mission” der Berliner Stadtmission, die zum Ziel hatte Sinti:zze und Rom:nja in Berlin zum christlichen Glauben zu bekehren. Abschließend berichteten wir von einem positiven Benennungsbeispiel – dem Ede-und-Unku-Weg in Berlin-Friedrichshain, der nach dem Buch “Ede und Unku” über die Freundschaft der Sintezza Unku und den Berliner Gadje Ede benannt wurde.

Der Ede-und-Unku Weg ist neben der Otto Rosenberg gewidmeten Straßen vor dem ehem. Zwangslager Marzahn zwar eine seltene Ehrung, durch die Kürze des Weges kann hier allerdings keine breite Öffentlichkeit erreicht werden. Durch unser Projekt konnten wir viele verunsichtbarte Orte der Verfolgung aufarbeiten und auf unsere Karte bringen. Umso mehr fielen uns jedoch die Leerstellen im erinnerungskulturellen Gedenken an die Geschichte von Sinti:zze und Rom:nja in Berlin auf.

Redebeitrag Sevin Begovic: Kontinuitäten nach 1945

Anschließend an unsere Projektvorstellung hielt Sevin Begovic vom Bildungsforum gegen Antiziganismus einen Input zum Thema ”Welche Kontinuitäten in der Verfolgung von Sinti:zze und Rom:nja gab es in der Institution Polizei nach 1945? Und wie sieht’s heute aus?” und warf ein Schlaglicht auf die mühselige Arbeit der Bürgerrechtsbewegung gegen die nationalsozialistischen Kontinuitäten in den deutschen Institutionen.

Redebeitrag Paula Rosenheimer: Erinnerungskultur und Denkmäler

Paula Rosenheimer von Amaro Drom e.V. sprach anschließend über die Fragen “Welche Formen von Erinnerungskultur gibt es?” und “Wozu brauchen wir Denkmäler?”. Ihr Bericht von der Lage des Denkmals für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma, das aktuell durch eine, die Geschichte der Verfolgung von Sinti:zze und Rom:nja im NS verhöhnende, Planung der Deutschen Bahn bedroht ist, zeigte erneut auf wie bedroht eine plurale Erinnerungskultur in der aktuellen politischen Lage immer noch oder wieder ist.

Moderation und Diskussion

Begleitet wurde die Veranstaltung von der Moderatorin Melina Borčak, die durch die Redebeiträge und die abschließende Diskussion führte.

Die Besucher:innen der Veranstaltung wurden dazu angehalten, ihre Gedanken zum Erinnerung und Gedenken an dem von uns im Arbeitskreis Stadtraum von Decolonize Berlin e.V. erbauten Mobilen Erinnerungsort festzuhalten und so in den Austausch zu kommen.

Wir freuen uns über die erfolgreiche Veranstaltung und danken allen Beteiligten!