Femizide in Berlin

Hatun Sürücü

Alter: 23 Jahre
Wohnort: Berlin-Tempelhof
Datum des Femizids: 05. Februar 2005
Relation zum Täter: Bruder
Ort des Femizids: Bushaltestelle nahe des Wohnhauses

Hatun Aynur Sürücü wurde am 5. Februar 2005 im Alter von  23 Jahren von ihrem jüngeren Bruder ermordet. Nach einem Streit zwischen den Geschwistern tötete er seine Schwester mit drei Kopfschüssen an einer Bushaltestelle in Berlin-Tempelhof.

Hatun Sürücü wurde als älteste Tochter kurdischer Eltern am 17. Januar 1982 in West-Berlin geboren und wuchs in Kreuzberg auf. Sie war schon in ihrer Jugend mit den strengen moralischen Vorstellungen, die ihre Familie an sie als Frau hatte, nicht einverstanden. Mit 16 Jahren wurde sie von ihren Eltern von der Schule genommen, um mit ihrem Cousin in der Türkei zwangsverheiratet zu werden. Sie wurde von ihm schwanger, trennte sich kurze Zeit später aber von ihm und kehrte alleine zurück nach Berlin. Wieder in Deutschland angekommen, zog sie in ein Wohnheim für minderjährige Mütter. In dieser Zeit holte sie ihren Schulabschluss nach und begann eine Lehre als Elektroinstallateurin. Obwohl Hatun Sürücü ein selbstbestimmtes Leben in Freiheit führen wollte, hielt sie den Kontakt zu ihrer Familie weiterhin aufrecht, die ihren Lebensstil aber nicht respektieren wollte. Sie empfanden ihr Bestreben nach Freiheit, unabhängig von einem Mann, als Verletzung ihrer Ehre. In ihren Augen verstieß sie mit ihrem Handeln gegen alles, wofür die Familie stand.

Der Mord an Hatun ereignete sich am Abend des 7. Februar 2005. Ihr jüngerer Bruder suchte sie in ihrer Wohnung auf, woraufhin es zu einem Streit zwischen den beiden kam. Sie begleitete ihn trotzdem zur Bushaltestelle, wo er sie mit drei Kopfschüssen aus unmittelbarer Nähe tötete.

Demnach lässt sich als Tatmotiv  die gekränkte Familienehre vermuten. Vor Gericht sagte der angeklagte Bruder, dass er den westlichen Lebensstil seiner Schwester verachtet habe und die Ehre der Familie wiederherstellen wollte. Er wurde im April 2006 zu einer Jugendstrafe von neun Jahren und drei Monaten verurteilt. Zwei mitangeklagte ältere Brüder, die im Verdacht standen ihren jüngeren Bruder zu dem Mord angestiftet und die Tatwaffe besorgt zu haben, wurden wegen fehlender Beweise freigesprochen. Im August 2007 hob der Bundesgerichtshof die Freisprüche auf. Trotzdem kam es in Deutschland nicht zu einer Neuauflage des Prozesses, weil sich die beiden Brüder inzwischen in der Türkei befanden.

Der Mordfall erregte großes Aufsehen in Deutschland und eine Vielzahl von Initiativen haben sich in der Zeit danach gegründet. Die grüne Fraktion Berlin vergibt seit 2013 jährlich den Hatun Sürücü Preis an Projekte und Initiativen, die Mädchen und junge Frauen unterstützen, ihren eigenen Weg zu gehen. Nach dem Mord hat sich auch das Projekt Heroes gegründet, das an Schulen Workshops für Jungen zu männlichen Rollenbildern gibt.