Olympiastadion
Charlottenburg
Anfang der 1930er Jahre erhielt die Weimarer Republik den Zuschlag zur Ausrichtung der Olympischen Sommerspiele 1936 und der Bedarf nach Stätten für dieses sportliche Großereignis entstand. Der Architekt Werner March (1894 – 1976) entwarf in der Folge einen Umbauplan für das Deutsche Stadion, das seit den 1910er Jahren das Zentrum des heutigen Olympiageländes bildete. March plante auf Weisung Adolf Hitlers (1889 – 1945), statt des Umbaus bestehender Strukturen schließlich einen monumentalen Neubau mit dem zentral gelegenen Stadion, das mehr als 100.000 Menschen Platz bieten sollte.
Das heutige Olympiastadion wurde in seiner monumentalen, antikisierenden Form 1934 errichtet, um dort die Olympischen Sommerspiele 1936 zu veranstalten. Über den faschistischen Hintergrund der Architektur wird vor Ort nur spärlich aufgeklärt. Mit der Wahl Hitlers zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 änderten sich die Grundvoraussetzungen für die Olympischen Spiele in Berlin. Die Planung des fortan als “Reichssportfeld” bezeichneten Gelände wurde dem “Reichsinnenministerium” unterstellt. So sollte nicht nur eine Sportarena gebaut werden, sondern ein Gelände für Massenveranstaltungen.
Die architektonische Form der Arena wurde als antikisierend festgelegt und schöpfte ihre Gestaltung aus der Vorbildnahme römischer und griechischer Kolossalbauten und Kultstätten. Mit der künstlerischen Ausgestaltung des Geländes wurden Bildhauer wie Karl Albiker (1878 – 1961) und Arno Breker (1900 – 1991) beauftragt. Sie schufen antikisierende Standbilder, die den arischen Mann und dessen kriegerisches Potenzial zelebrierten. Albikers Diskuswerfer sind weniger als Sportler denn vielmehr als “arische” Soldaten zu lesen.
Das Stadion wird auf westlicher Seite durch den “Glockenturm” überragt, der während der Planungsphase die Bezeichnung “Führerturm“ trug. Er symbolisiert die exponierte Rolle Adolf Hitlers im staatlichen Gefüge. Das Gelände ist als inszenatorisches Gesamtprojekt zu verstehen, welches in seiner Struktur letztendlich den “Führerstaat” widerspiegelt. Rund um das Stadion sind sechs funktionslose Türme angeordnet, die jeweils nach einem der “sechs Volksstämme“ benannt sind. Durch die “Langemarckhalle” und die “Podbielski Eiche” wird der Erste Weltkrieg zu einem Referenzereignis des Geländes und zeigt erneut die kriegerische Aufladung der Strukturen.
Nach den Olympischen Sommerspielen 1936, wurde das Stadion weiterhin für sportliche Veranstaltungen genutzt; zunehmend beherbergte es aber vor allem politische Großveranstaltungen der nationalsozialistischen Diktatur. So wurde beispielsweise der Besuch Benito Mussolinis (1883 – 1945) 1937 mit einem Fackelzug auf dem “Maifeld” begangen. Im Frühjahr 1945 befand sich das Stadion schließlich im Zentrum der Kämpfe um Berlin. Der “Volkssturm” und Divisionen der “Hitlerjugend” sollten nach einer flammenden Rede von Carl Diem (1882 – 1962) das “Reichssportfeld” verteidigen. Zahlreiche Jugendliche starben in diesem Kontext, sie wurden ohne Ausbildung und schlecht bewaffnet in den Kampf gegen die Rote Armee geschickt. Bis heute wird auf dem Stadiongelände unkritisch Carl Diem und dessen Leistungen für den Sport gedacht, seine Verbrechen bleiben hierbei unerwähnt. Diem war gerade in der Inszenierung der Olympischen Spiele eine prägende Figur, so führte er den Fackellauf, die zeremonielle Eröffnung des Wettbewerbs und die Abschlussgala ein. Auch die Aufladung der Strukturen mit einem Helden- und Opfermythos der gefallenen Soldaten des Ersten Weltkriegs wurde durch den Sportfunktionär verantwortet.
Unsere Empfehlung
Berlin als ehemaliges Zentrum der nationalsozialistischen Politik und als Ausführungsort der propagagandischen Olympischen Spiele 1936 hat Aufklärungsarbeit vor Ort zu leisten. Die nationalsozialistische Geschichte und Aufladung des Ortes vermittelt sich vor allem durch geführte Touren.
Literatur
Breymayer, Ursula/ Ulrich, Bernd: “Heldengedenken”. Der Kampf um die Erinnerung an die Toten des Ersten Weltkrieges, in: Rother, Rainer (Hg.): Geschichtsort Olympiagelände. 1909 – 1936 – 2006, Berlin 2006, S.22-37.
Donath, Matthias: Architektur in Berlin. 1933-1945. Ein Stadtführer, Berlin 2007.
Hettlage, Bernd: Olympiastadion Berlin, Berlin 2006.
Huse, Norbert: Unbequeme Baudenkmale. Entsorgen? Schützen? Pflegen? München 1997.
Kluge, Volker: Olympiastadion Berlin. Steine beginnen zu reden, Berlin 1999.
Odenthal, Anna Maria: Denkmalpflege. Die geschichtswahrende Modernisierung des Olympiastadions. in: architektur + bauphysik 7, Berlin 2006, S.2-6.
Schäche, Wolfgang/ Szymanski, Norbert: Das Reichssportfeld: Architektur im Spannungsfeld von Sport und Macht, Berlin 2001.
Tietz, Jürgen: Sport und Erinnerung. Das Berliner Olympiagelände. in: Rother, Rainer (Hg.): Geschichtsort Olympiagelände, 1909 – 1936 – 2006. Berlin 2006, S.10-21.