Adler im Horst

Haselhorst

Das “Denkmal der nationalen Erhebung” wurde 1936 zur Erinnerung an die nationalsozialistische Machtübernahme 1933 in der Reichsforschungssiedlung Haselhorst aufgestellt. Der zugehörige, realistisch dargestellte Adler im Horst ist eine Bronzeplastik von Max Esser (1885 – 1945).

Der in die Ferne blickende Raubvogel ist seit der römischen Antike ein Symbol der Macht, welches im 20. Jahrhundert in die faschistische Bildsprache integriert wurde. Im Kontext der hier erzeugten, aus heutiger Sicht mehr als problematischen, Erinnerungskultur an die Machtergreifung der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) steht das majestätisch dargestellte Muttertier sinnbildlich für die 1933 erlangte Stellung der NSDAP, welche ab diesem Zeitpunkt ebenfalls schützend ihre Schwingen über den jungen NS-Staat und dessen Bürger:innen ausbreiten sollte.

Die Funktion des Denkmals ging allerdings über das Gedenken an die Machtergreifung der NSDAP hinaus. Aufgestellt und eingeweiht zur Feier der Fertigstellung der sogenannten Reichsforschungssiedlung, einem Projekt für mehr bezahlbaren Wohnraum in Berlin, das durch einen Wettbewerb ausgeschrieben von der Reichsforschungsgesellschaft für Wirtschaftlichkeit im Bau- und Wohnungswesen bereits 1928 initiiert wurde, drückt es dem Baukomplex den nationalistischen Stempel auf. Obwohl die Baupolitik der Weimarer Republik zielgerichtet durch die NSDAP bekämpft wurde und mehrere der beteiligten Architekten nach 1933 wegen politischer Verfolgung gezwungen waren das Land zu verlassen, wurde die Siedlung durch die Nationalsozialisten mit einer Inschrift auf einem Gedenkstein (“[…] gesunde Lebensbedingungen für rund 13.000 Volksgenossen […]”) als Leistung des NS-Staates umgedeutet und somit ideologisch vereinnahmt. 

Den Bau realisierte die Wohnungsbaugesellschaft Gewobag, die zu Beginn des Baus noch Heimag hieß. Nach der Machtergreifung der NSDAP wurden die Gewobag-Vorstände Hermann Meyer und Franz Czeminski durch die parteitreuen Nationalsozialisten Adelbert Pfeil und Hans Kammler (1901 – 1945) ersetzt. Franz Czeminski (1876 – 1945), der unter anderem auch SPD-Politiker war, wurde am 13. April 1933 ins KZ-Gefängnis Papestraße verschleppt, wo er misshandelt und gefoltert wurde. Unter den acht Architekten der Siedlung war auch Fred Forbát (1897 – 1972). Der jüdische Architekt war 1933 gezwungen sein Büro aufzulösen und floh nach Schweden. Seine Eltern und Geschwister wurden in das KZ Auschwitz gebracht und dort ermordet.

Unsere Empfehlung

Zwar wurde das Denkmal nach dem Krieg vermeintlich entnazifiziert, indem die Inschrift aus Bronzelettern entfernt wurde, die nationalsozialistische Bildsprache blieb allerdings bis heute vor Ort erhalten. Platziert neben einem Kinderspielplatz im Innenhof der Wohnsiedlung kann zwar eine Umdeutung stattfinden, denn die Bewohner:innen des Mietshauses wachen bestimmt über ihre auf den Klettergerüsten und im Sandkasten spielenden Kinder wie die dargestellte Adlermutter auf den eigenen Nachwuchs. Ist jedoch die ideologische Ursprungsfunktion der Darstellung bekannt, bekommt die Nähe zu den Heranwachsenden einen eher makabren Beigeschmack. Ein Umzug der Plastik in einen kunst- oder stadthistorischen Museumsraum ist zu empfehlen. Dort können die Vielschichtigkeiten dieses Denkmalfragments kritisch aufgearbeitet und verständlich vermittelt werden. Als Alternative könnte eine Informationstafel vor Ort die dringend benötigte Kontextualisierung und historisches Bildmaterial bereitstellen. Dies könnte, gerade auch in Verbindung mit der Museumswohnung innerhalb der Reichsforschungssiedlung Haselhorst, einen durchaus nachhaltigen Vermittlungsansatz darstellen.

Literatur

Bildhauerei in Berlin (Hg.): Adler im Horst. Adler mit Jungen, Denkmal der nationalen Erhebung. 2020. URL: https://bildhauerei-in-berlin.de/bildwerk/adler-im-horst/, 13.04.2021. 

Kohse, Petra: Geschichte am Straßenrand: Der Adlerhorst – Nazi-Stempel auf dem Spielplatz in Haselhorst, in: Berliner Zeitung, vom 27.7.2018. URL: https://www.berliner-zeitung.de/kultur-vergnuegen/geschichte-am-strassenrand-der-adlerhorst-nazi-stempel-auf-dem-spielplatz-in-haselhorst-li.63745, 13.04.2021.

Gewobag (Hg.): Kriegsschäden und Wiederaufbau. 2021.URL: https://www.gewobag.de/soziales-engagement/stadtteilinfos/spandau/haselhorst/kriegsschaeden-und-wiederaufbau/, 13.04.2021. 

Digitalcosmonaut (Hg.): The Nazi Eagles of Berlin. 2015. URL: https://digitalcosmonaut.com/2015/nazi-eagles-berlin/, 13.04.2021.

Rada, Uwe: Kleine Küche, großer Anspruch. 2021. URL: http://www.uwe-rada.de/themen/stadt_haselhorst.html, 13.04.2021. 

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