Wird der Nettelbeckplatz endlich umbenannt?
Der Nettelbeckplatz in Berlin Wedding soll endlich umbenannt werden. Nachdem im August 2021 die Umbenennung des Platzes beschlossen wurde, dauert die Suche nach einem neuen Namen an. Ein diverses Beratungsgremium aus zivilgesellschaftlichen Institutionen und Organisationen im Wedding hat dieses Jahr aus 531 Namensvorschlägen drei Favoritinnen als neue Namensgeberinnen erarbeitet: Martha Ndumbe, Vera Heyer und Fasia Jansen. Diese drei Namen wurden im Ausschuss für Weiterbildung und Kultur der BVV Mitte in den letzten Monaten vorgestellt und ausgiebig diskutiert.
Martha Ndumbe
Martha Margaretha Ndumbe (1902–1945) wurde in Berlin geboren. Ihr Vater, Jacob Ndumbe, ein „Kolonialmigrant” aus Kamerun, war 1886 als Darsteller auf der Kolonialausstellung nach Berlin gekommen. Nach der Trennung ihrer Eltern wuchs Martha bei befreundeten Pflegeeltern auf. Mit 16 Jahren brachte sie eine Tochter zur Welt, die jedoch früh starb. Beruflich war sie zunächst als Stickerin tätig, später wurde sie als Fabrikarbeiterin geführt. 1932 heiratete sie Kurt Borck, der sie jedoch misshandelte und 1933 zu ihrer Tätigkeit als Sexarbeiterin zwang. Nach ihrer Scheidung 1938 arbeitete sie weiterhin in diesem Bereich, wurde mehrfach wegen Diebstahls verurteilt und 1943 inhaftiert. Von der SS als „asozial“ kategorisiert, kam sie ins KZ Ravensbrück, wo sie 1945 vermutlich an Tuberkulose starb. Ihr Leben und Schicksal stehen beispielhaft für diskriminierte Opfergruppen des Nationalsozialismus, die lange keine Anerkennung fanden. 2021 wurde ihr ein Stolperstein in Berlin gewidmet – der erste für eine Schwarze deutsche Frau.
Vera Heyer
Vera Heyer (1946–1995) wuchs in einem Kinderheim bei Frankfurt am Main auf und arbeitete später in Mainz als Angestellte im Arbeitsamt. Neben ihrem Beruf engagierte sie sich ab den 1970er Jahren für die afrodeutsche Community. In ihrer Wohnung in Mainz-Bretzenheim baute sie eine Spezialbibliothek mit afroamerikanischer und afrodeutscher Literatur sowie audiovisuellen Beiträgen auf, die sie durch akribische Recherchen erwarb. Heyer war u. a. in der Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland (ISD) aktiv. Sie verstarb 1995 im Alter von 48 Jahren an einem Herzleiden und verfügte testamentarisch, ihre Sammlung öffentlich zugänglich zu machen. Nach jahrelanger privater Aufbewahrung wurde ihre Sammlung 2014 als Herzstück der „Each One Teach One“-Bibliothek (EOTO) in Berlin integriert. Die Bibliothek, die heute über 8.000 Bände umfasst, gilt als bedeutender Kulturort und Inspirationsquelle für Schwarze Menschen in Deutschland.
Fasia Jansen
Fasia Jansen (1929–1997) war eine deutsche Kommunistin, Pazifistin und Liedermacherin. Sie wurde als Tochter des liberianischen Generalkonsuls Momolu Massaquoi und einer deutschen Mutter in Hamburg geboren und wuchs im Arbeitermilieu auf. Schon früh erlebte sie Rassismus, insbesondere während der NS-Zeit. Als Jugendliche wurde sie zum Arbeitsdienst gezwungen und arbeitete in einer Küche für KZ-Häftlinge, was ihr antifaschistisches Bewusstsein prägte. Nach 1945 erkannte die Hamburger Entschädigungsbehörde Fasia Jansen nicht als rassisch Verfolgte an, da „deutsche Staatsangehörige dunkler Hautfarbe nicht zu den von den Nationalsozialisten kollektiv-verfolgten Personengruppen zählten“. Jansen engagierte sich nach dem Krieg musikalisch und politisch, vor allem in der Friedens- und Arbeiterbewegung, und trat bei Streiks, politischen Kundgebungen und internationalen Festivals auf. Ihr Repertoire umfasste politische und Solidaritätslieder für globale Bewegungen und unterdrückte Gemeinschaften. Fasia Jansen erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter das Bundesverdienstkreuz und die Ehrennadel der Stadt Oberhausen. Sie blieb jedoch kritisch gegenüber staatlicher Anerkennung, da Diskriminierungen aus der NS-Zeit nicht aufgearbeitet wurden. Sie starb 1997 in Oberhausen.
Geplant ist momentan, einen Ausschussantrag für eine Favoritin in der Januar-Sitzung des Ausschuss für Weiterbildung und Kultur zu stellen, der dann von einer Mehrheit angenommen wird. Wenn dieser Antrag beschlossen werden sollte, würde er in die BVV Sitzung im selben Monat kommen und könnte dort bestätigt werden.
Eine offizielle Umbenennung könnte dann voraussichtlich im ersten Quartal 2025 erfolgen – wir halten euch auf dem Laufenden!