Der Genozid an Herero und Nama
Späte Anerkennung des Völkermords durch die Bundesregierung
In den vergangenen Tagen gab die Bundesregierung bekannt erstmals eine Entschuldigung für den Völkermord an Herero und Nama abgeben zu wollen und diesen auch als solchen anzuerkennen. Schon im vergangen Jahr wurde die Haltung der deutschen Regierung im öffentlichen Raum durch das Kollektiv “Rocco und seine Brüder” kritisiert. Die Bundesregierung hatte der namibischen Regierung zehn Millionen Euro als Entschädigung für den Tod von zehntausenden Menschen und grausame Versklavung der restlichen Bevölkerung angeboten – in Anbetracht der historischen Ereignisse ein Witz.
Historischer Kontext
Die Kolonie “Deutsch-Südwestafrika” wurde 1884 auf dem Gebiet des heutigen Namibias durch dubiose Verhandlungen des Tabakwarenhändlers Adolf Lüderitz errichtet. Bis 1914 kamen rund 15.000 weiße Siedler:innen nach “Deutsch-Südwestafrika” – darunter mehr als 12.000 Deutsche. Die kolonisierte Bevölkerung wurden von den europäischen Siedler:innen verdrängt, unterdrückt, entrechtet und enteignet.
Im Januar 1904 rief Samuel Maharero offiziell zum Aufstand gegen die deutschen “Schutztruppen” auf. Innerhalb kurzer Zeit gelang es den Herero den größten Teil ihres Landes zu befreien. Gekränkt vom Widerstand sann Generalleutnant Lothar von Trotha auf Rache. Mithilfe von Verstärkung aus dem Deutschen Reich und nach langen Kämpfen trieb Trotha Zehntausende Herero in die Omaheke-Wüste, wo sie an Hunger und Durst starben. Auch die Nama versuchten sich gegen die Fremdherrschaft zu wehren. Sie wurden jedoch von den deutschen “Schutztruppen” niedergeschlagen.
Nach dieser Racheaktion befahlen Kaiser Wilhelm II. und sein Reichskanzler Bernhard Fürst von Bülow die Errichtung von Todeslagern für die restlichen Herero und Nama, die damals bereits Konzentrationslager genannt wurden. 9.000 Menschen wurden im Mai 1905 in den Lagern festgehalten und zur Arbeit gezwungen, viele erkrankten und starben vor Erschöpfung. Die inhaftierten Frauen mussten Schädel von Gehängten mit Glasscherben reinigen, die dann zur „medizinischen Forschung“ nach Deutschland gesendet wurden. Von 35.000 – 100.000 Herero waren nach Schätzungen am Ende noch 14.000 am Leben. Dieses Verbrechen wird von Historiker:innen als erster Massenmord des 20. Jahrhunderts benannt und gilt als Vernichtungskrieg, da die Auslöschung der gesamten Zivilbevölkerung als klares Ziel definiert wurde.
Die Überlebenden Herero und Nama wurden in den Folgejahren gezwungen nummerierte Schilder aus Blech um den Hals zu tragen und mussten sich bis 1918, als das Deutsche Reich seine Kolonien verlor, in ein Register eintragen. Aber auch nach dem Ende der deutschen Kolonialherrschaft endete die namibische Unterdrückung nicht. Aufgrund einer Verfügung des Völkerbundes erhielt Südafrika die Mandatsmacht über Namibia. In den folgenden Jahrzehnten litt die namibische Bevölkerung unter dem Apartheidsregime und erlangte ihre Unabhängigkeit erst nach bewaffneten Kämpfen im Jahr 1989.
Der Kampf um die Anerkennung
Die Versuche der “Wiedergutmachung” des Genozids durch Deutschland lesen sich als Versagen der Diplomatie.
2004 sprach die damalige, deutsche Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul beim 100-Jahres-Gedenken an die Schlacht am Waterberg, die den Beginn des Genozids markiert, als erste deutsche Ministerin von “Völkermord”. Diese Aussage wurde durch die rot-grüne Bundesregierung aber nicht anerkannt, um Reparationsforderungen zu vermeiden.
2011 kam es zu der Rückgabe von menschlichen Überresten von Herero und Nama aus der Charité an eine namibische Regierungsdelegation.
Erst 2015 verwendete das Auswärtige Amt Deutschlands in einer Pressemitteilung den Begriff Genozid und erkannte ihn als solchen an, leitete aber keine offizielle Entschuldigung oder Entschädigungszahlungen ein. Mit der namibischen Regierung führt die Bundesregierung seitdem Gespräche über eine mögliche Aussöhnung beider Länder, jedoch ohne Beteiligung der wichtigsten Opfer-Verbände.
Herero- und Nama-Vertreter:innen reichten 2017 eine Klage gegen die Bundesregierung vor einem New Yorker Gericht ein. Schließlich bot die Bundesregierung im August 2020 Namibia ein Entschädigungsangebot von zehn Millionen Euro als Wiedergutmachung der Kolonialverbrechen in Deutsch-Südwestafrika an, was von Namibia als “nicht annehmbar” abgelehnt wurde.
Vergangene Woche, im Mai 2021, hat die Bundesregierung einem Abkommen über eine Entschuldigung und offizielle Anerkennung des Völkermords als solchen zugestimmt. Auch über Reparationszahlungen wurde sich nach Angaben von Deutschlandfunk Kultur geeinigt – wie hoch diese genau sein werden, wurde allerdings noch nicht bekannt gegeben.
Weiterführende Informationen
Geocide Alert (Hg.): Der Völkermord an Herero und nama (1904-1908), URL: https://www.genocide-alert.de/projekte/deutschland-und-massenverbrechen/herero-und-nama/, 19.05.2021.
Bundeszentrale für politische Bildung (Hg.): Schwierige (post-)koloniale Aussöhnung. Deutschland, Namibia und der Völkermord an den Herero und Nama, URL:
https://www.bpb.de/apuz/297597/deutschland-namibia-und-der-voelkermord-an-den-herero-und-nama, 19.05.2021
Ogette, Tupoka: exit RACISM. rassismuskritisch denken lernen, Münster 2017.
Ayim, May/ Oguntoye, Katharina/ Schultz, Dagmar (Hg.): Farbe bekennen. Afro-Deutsche Frauen auf den Spuren ihrer Geschichte, Berlin 1986.