Berlin als Austragungsort der Olympischen Spiele 2036

Ein zweifelhaftes Jubiläum

Berlin könnte 2036 zum Austragungsort der Olympischen Spiele werden. Eine von Kai Wegner (CDU) und Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD) unterzeichnete Absichtserklärung soll die dafür nötige Bewerbung auf den Weg bringen. Mit einer erfolgreichen Bewerbung würde in Berlin genau 100 Jahre, nachdem die Nationalsozialist:innen die Spiele für Propaganda, internationale Inszenierung und Mobilmachung instrumentalisierten, wieder eine Olympiade stattfinden. Die Olympischen Spiele 2036 würden einen Jubiläumscharakter zu den folgenreichen Spielen von 1936 haben, auch da die Spiele im Olympiapark in Berlin ausgerichtet würden. Der unter nationalsozialistischer Ideologie gestaltete Olympiapark ist bis heute fast unverändert erhalten und wird wenig historisch und erinnerungspolitisch kontextualisiert und aufgearbeitet.

Vom “Reichssportfeld” zum Olympiastadion 

Anlässlich der Olympischen Sommerspiele 1936 wurde das ehemalige “Reichssportfeld“ in Charlottenburg-Wilmersdorf komplett umgestaltet. Das entstandene Olympiagelände ist bis heute fast vollständig erhalten geblieben. Die Nutzungsgeschichte des Geländes begann bereits 1909, als in der wohlhabenden Gegend des Charlottenburger Westend eine Pferderennbahn angelegt wurde, um den Anwohner:innen die lange Fahrt nach Hoppegarten im Osten Berlins zu ersparen. Die “Rennbahn Grunewald“ wurde auf Wunsch des Kaisers 1909 eröffnet. Als Vorbereitung für die erstmals 1916 in Deutschland geplanten Olympischen Spiele, wurde der Architekt Otto March (1845 – 1913) beauftragt, das “Deutsche Stadion” zu entwerfen, das im Zentrum der Rennbahn eingebettet war, um den Besucher:innen einen Blick über die Rennbahn zu ermöglichen. Die Olympischen Spiele 1916 fielen auf Grund des Ersten Weltkrieges aus. In den 1920er-Jahren wurde das Gelände weiter ausgebaut, insbesondere durch Carl Diem (1882 – 1962), der sich für eine moderne Infrastruktur und eine Hochschule für Leibesübungen in Berlin einsetzte. Seine Vision war die Etablierung eines “Deutschen Zentrums für Sport” in Westend. Das Verhältnis Diems zum Nationalsozialismus gilt als umstritten. Zwar wurde er zunächst als “politisch unzuverlässig” eingestuft, etablierte sich dann jedoch als wichtige Stimme des nationalsozialistischen Propagandapparates. Er rezipierte antisemitische Autor:innen, bekräftigte die “Überlegenheit der weißen Rasse” und wusste ab 1943 von der Shoah.

Olympische Spiele als Propagandaveranstaltung

Zu Beginn der 1930er-Jahre erhielt Deutschland die Zusage des Olympischen Komitees, 1936 Gastgeberland zu werden. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialist:innen erkannten diese das Potenzial und nutzten die Spiele als Propagandamittel für eine Erzählung vom “friedlichen Deutschland”. Politisch handelte es sich auch um eine Machtdemonstration, sowohl gegenüber der Bevölkerung, aber auch gegenüber internationalen Beobachter:innen, die teils mit Argwohn auf das von der NSDAP regierte Deutschland blickten. Das gesamte Gelände ist geprägt von NS-Ideologie.

Architektur, Skulpturen und selbst die Landschaft sollten die Überlegenheit der eigenen “Rasse” zur Schau stellen. Das errichtete Olympiastadion ist getreu den römischen und griechischen Vorbildern antikisierend konzipiert worden.

Zum Ende der Spiele plante die nationalsozialistische Regierung, das Bauensemble in die „Stadt Germania“ zu integrieren. Nach dem Krieg wurde das Gelände zum Hauptquartier der Britischen Alliierten. Der hintere Teil des Olympiaparks verschwand aus dem Bewusstsein der Berliner:innen, obwohl er in den 1990ern wieder zugänglich wurde. Bekannt blieb das Olympiastadion, als Heimspielstätte von Hertha BSC Berlin und aufgrund der Bespielung mit Großveranstaltungen wie Konzerte.

Versuch Nummer zwei

Nach den Olympischen Spielen der Nazis von 1936 bewarb sich Berlin erneut offiziell 1991 beim NOK (Nationales Olympisches Komitee) für die Spiele im Jahr 2000. Von Anfang an gründeten sich Anti-Olympia-Gruppen wie das autonome AOK (Anti-Olympia-Komitee), die eine breit angelegte Kampagne gegen die Olympischen Spiele und die Bewerbung Berlins initiierten. Diese Proteste intensivierten sich mit kreativen, vielfältigen und teils gewaltvollen Aktivitäten bis zur Entscheidung des IOC (International Olympic Committee) im Jahr 1993, die Spiele in Sydney austragen zu lassen.

Die Bewegung kritisierte dabei nicht nur die hohen Kosten, die auf das Land Berlin im Falle einer Austragung zukämen und die in Umstrukturierungsmaßnahmen und Kürzungen von Geldern für soziale Projekte resultieren würden. Auch der idealisierte Körperkult, der einhergehende Nationalismus und die Kapitalisierung der Stadt waren Argumente, die von der Anti-Olympia-Bewegung (NOlympia) hervorgebracht wurden. Zudem wurde auch die fehlende Aufarbeitung der Bedeutung des Sportes und der Olympischen Spiele für das nationalsozialistische Regime kritisiert: Der Chef der Olympia GmbH sagte in einem Interview mit dem Tagesspiegel selbst, dass IOC Mitglieder die Olympia GmbH aufgefordert hätte, Die Gestaltung der Spiele von 1936 weiterzuverfolgen, da sie einen guten Eindruck hinterlassen hätten.die Spiele wie 1936 zu gestalten. Es sei ein “toller Eindruck” gewesen.

Für ihre Kritik setzte die NOlympia Bewegung auf eine Vielzahl an verschiedenen, teils gewaltsamen, Aktionsformen. Unter anderem wurde im Januar 1992 eine Gedenktafel zu Ehren von Carl Diem im Januar 1992 entwendet: Eine Rückgabe wurde an die Forderung geknüpft, die Bewerbung um die Olympischen Spiele zurückzuziehen. Da dies nicht geschah, wurde die Gedenktafel eingeschmolzen. Mittlerweile wurde die Gedenktafel jedoch von der Stadt Berlin ersetzt.

Nicht nur ein Sport-Event

Die ablehnende Haltung der Berliner Bevölkerung gegenüber den Olympischen Spielen im Jahr 2000, sowohl aus erinnerungspolitischen Gründen als auch im Kontext der Frage nach dem Recht auf die Stadt, unterstreicht die anhaltenden Bedenken gegenüber einer erneuten Austragung. Die Olympiade von 1936 war in mehrfacher Hinsicht folgenreich. Als Propaganda-Ereignis gelang es den Nationalsozialist:innen die internationale Presse von den friedlichen Absichten des Regimes zu überzeugen. Darüber hinaus befeuerte die Sportveranstaltung erfolgreich den Nationalismus innerhalb der deutschen Bevölkerung. Die Auseinandersetzung mit dieser Geschichte durch die Entwicklung eines nachhaltigen und ganzheitlichen Erinnerungs- und Gedenkortes am Olympiapark in Berlin, wurde verdrängt und vernachlässigt. Bis heute ist das Gelände nicht im erinnerungspolitischen Bewusstsein der Berliner:innen.

Quellen 

  • Alkemeyer, Thomas: Körper, Kult und Politik. Von der „Muskelreligion“ Pierre de Coubertins zur Inszenierung von Macht in den Olympischen Spielen von 1936. Frankfurt/New York: Campus Verlag, 1996.
  • Becker, Frank: Den Sport gestalten. Carl Diems Leben (1882–1962), Band 3: NS-Zeit. Duisburg: Universitätsverlag Rhein-Ruhr, 2009.
  • Becker, Frank: Schneller, lauter, schöner? Die Olympischen Spiele von 1936 in Berlin als Medienspektakel. In: Friedrich Lenger und Ansgar Nünning (Hg.), Medienereignisse der Moderne. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 2008, S. 95–113.
  • Brechtken, Magnus/Tobias Hof: Studie über die Geschichte des Olympiageländes in Berlin und den Umgang mit dem dortigen NS-Erbe. München, 2021.
  • Dwertmann, Hubert: Die Beteiligung von Sportfunktionären im NS-Regime und ihr Einfluss auf die Sportgeschichtsschreibung. In: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 59, 2011, Nr. 3, S. 230–241.
  • Endlich, Stefanie: „Historische Kommentierung“ des Olympiageländes Berlin. Die neue Open-Air-Dauerausstellung auf dem ehemaligen „Reichssportfeld“. In: GedenkstättenRundbrief Nr. 132, 2006, Nr. 8, S. 3–9.
  • Fuhrer, Armin: Hitlers Spiele. Olympia 1936 in Berlin. Berlin: BeBra Verlag, 2011.
  • Gruppe Panther & Co. (Hg.): Rebellisches Berlin. Expeditionen in die untergründige Stadt, Berlin 2021.
  • Hoffmann, Hilmar: Mythos Olympia. Autonomie und Unterwerfung von Sport und Kultur. Berlin, 1993.
  • Ruppert, Wolfgang: In Stein gehauener Rassenwahn?, in: Die Zeit Nr. 38, 17.09., 1993. S. 75.
  • Schäche, Wolfgang/Norbert Szymanski: Das Reichssportfeld. Architektur im Spannungsfeld von Sport und Macht. Berlin: BeBra Verlag, 2001.