Otto-Dibelius-Straße

Charlottenburg

Die Otto-Dibelius-Straße wurde 2005 nach dem evangelischen Bischof von Berlin, Friedrich Karl Otto Dibelius (1880–1967), benannt. Dibelius gilt als Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus, weil er in der Bekennenden Kirche aktiv war. Dennoch spiegelt sich seine antisemitische Haltung in seiner Biografie wieder.

Dibelius studierte von 1899 bis 1904 in Berlin Theologie und promovierte 1902. Während seiner Studienzeit um die Jahrhundertwende wurde er Mitglied im antisemitischen “Verein Deutscher Studenten” (VDSt) in Berlin. Nach dem Ersten Weltkrieg verbreitete er die antisemitische Dolchstoßlegende und trat 1925 in die antisemitische DNVP ein. Noch 1933 bezog er sich auf den Antisemiten Heinrich von Treitschke (1834-1896). Im November 1879 veröffentlichte der konservativ-preußische Historiker von Treitschke in den „Preußischen Jahrbüchern“ einen Aufsatz, der schließlich zu einer kontroversen Auseinandersetzung zwischen namhaften Professoren an der Berliner Friedrich-Wilhelm-Universität führte. Die damals als „Treitschkestreit“ bezeichnete Debatte, um die nationale Zuverlässigkeit sowie kulturelle Zugehörigkeit der Jüdinnen und Juden zur deutschen Nation, erfasste nahezu alle gesellschaftlichen Milieus. Treitschke sprach Jüdinnen und Juden den Willen zur gesellschaftlichen Assimilierung ab und stigmatisierte sie als Gegner der nationalen Einigung Deutschlands.

Nationalsozialistischer Aktivismus

Auch beim Boykott von Jüdinnen und Juden durch die SA im Jahr 1933 stellte er sich hinter die NSDAP. Dabei bezeichnete er sich selbst als Antisemiten.

Nach der Ordination 1906 in der Nikolaikirche zu Berlin erhielt er verschiedene Pfarrstellen und wurde 1925 Generalsuperintendent der Kurmark. Aus christlicher Überzeugung setzte er sich gegen jede Verherrlichung des Kriegs ein. Im Juni 1933 wurde er als Mitglied der Bekennenden Kirche seines Amtes enthoben. Im Mai 1936 richtete sie eine geheime Denkschrift an Hitler, die weit über kirchenpolitische Themen hinaus ging. Die Denkschrift prangerte die Verhaftung von bekennenden Geistlichen, aber auch die Existenz von Konzentrationslagern (KZ) generell und den Terror der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) an und verwarf ausdrücklich die „nationalsozialistische Weltanschauung“ und den staatlichen Antisemitismus. Eine Welle von Verhaftungen wegen Landesverrats war die Folge. Allein 1937 wurden fast 800 Pfarrer und Kirchenjuristen der Bekennenden Kirche vor Gericht gestellt.

Als Mitverfasser der „Freiburger Denkschrift“ wird Dibelius Vordenker des kirchlichen Neubeginns nach dem Zweiten Weltkrieg.

Karriere nach dem Nationalsozialismus

1945 tritt er in die Christlich-Demokratische Union (CDU) ein und wird Mitglied des vorläufigen Rats der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Dibelius ist an der Formulierung des „Stuttgarter Schuldbekenntnisses“ beteiligt. Mit der am 19. Oktober 1945 beschlossenen Schulderklärung gesteht die evangelische Kirche ihre Mitschuld an den Verbrechen des nationalsozialistischen Regimes ein. Dies ist für die Akzeptanz unter den Kirchen weltweit von großer Bedeutung.

Noch 1964 äußerte er sich antisemitisch, er habe Jüdinnen und Juden stets gemieden, nämlich „nicht in feindlicher Gesinnung, aber doch so, daß man das Fremdartige in ihrem Wesen spürte.“ Dibelius erhält 1954 die Berliner Ehrenbürgerschaft und stirbt 1967 in Berlin.

 

Literatur

  • Frisius, Hildegard/ Kälberer, Marianne/ Krogel, Wolfgang/ Lachenicht, Gerlind/ Lemmel, Frauke (Hg.): Evangelisch getauft – als Juden verfolgt. Spurensuche Berliner Kirchengemeinden, 2008.
  • Gerlach, Wolfgang: Als die Zeugen schwiegen. Bekennende Kirche und die Juden, 1993.
  • Gerlach, Wolfgang: Zwischen Kreuz und Davidstern. Bekennende Kirche in ihrer Stellung zum Judentum im Dritten Reich. Dissertation, Hamburg 1972.
  • Sassmannshausen, Dr. Felix/ Ansprechpartner des Landes Berlin zu Antisemitismus (Hg.): Straßen- und Platznamen mit antisemitischen Bezügen in Berlin. Berlin 2021.

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