Martin-Luther-Straße

Schöneberg

Die Straße wurde 1899 nach dem Theologen und Reformator Martin Luther (1483-1546) benannt. Luther prägte die Verbreitung des christlich-motivierten Antijudaismus, indem er den radikalen Ausschluss von Juden und Jüdinnen aus der Gesellschaft forderte.

Dieser Beitrag wurde zuerst für die Junker-Jörg-Straße in Lichtenberg in „An wen wollen wir erinnern? Widerständige Frauen gegen den Nationalsozialismus in Lichtenberg und umkämpfte Erinnerungen im öffentlichen Raum. Workshop und Bildungsmaterialien“ veröffentlicht, einem Projekt des Runden Tisches für Politische Bildung Lichtenberg in Kooperation mit Fritzi Jarmatz (Visuelle Kommunikation & Ideenräume), Trille Schünke-Bettinger (Antifaschistinnen aus Anstand & Netzwerk Frauentouren) und Straßenlärm Berlin e.V.

Wer war Martin Luther?

Der Theologe Martin Luther ist in der deutschen Geschichtsschreibung hauptsächlich durch den Anschlag der 95 Thesen im Jahr 1517 und die daran anschließende Reformation, also die Bildung der evangelischen im Gegensatz zur katholischen Kirche bekannt. Nach der Verbannung durch den Papst übersetzte er auf der Wartburg bei Eisenach unter dem Decknamen Junker Jörg bis 1522 das Neue Testament ins Deutsche. Bislang gab es das nur auf Latein, wodurch die meisten Menschen die Bibel nicht selbst lesen konnten und auf die Deutung der Pastoren und Priester angewiesen waren. Die Übersetzung des Alten Testaments folgte 1534.

War Luther antisemtisch?

Luther veröffentlichte 1543 die judenfeindliche Schrift Von den „Juden und ihren Lügen“. 20 Jahre zuvor sprach er sich noch offen gegen die Verfolgung von Personen jüdischen Glaubens aus, diese Meinung hatte er anscheinend geändert. Der Judenhass von Martin Luther entspringt der christlichen Annahme, dass das jüdische Volk Schuld an der Kreuzigung von Jesus Christus habe.

Im Neuen Testament steht, dass Jesus erst von den jüdischen Hohenpriestern verurteilt wurde. Wegen der römischen Besatzung durften diese keine Urteile durchführen und lieferten Jesus an Pontius Pilatus, den römischen Statthalter, aus. Weil bald ein wichtiger jüdischer Feiertag war, befragte Pilatus angeblich die jüdische Bevölkerung, ob Jesus oder Barabbas, ein verurteilter Mörder, freigesprochen werden soll und die Mehrheit sprach sich für Barabbas aus, weswegen Jesus gekreuzigt wurde. Es gibt aus heutiger Perspektive jedoch erhebliche Zweifel, ob das ganze so abgelaufen ist. Jedenfalls deuten einige Christen, und so auch Luther die Geschichte so, dass die Juden nicht die Römer am Tod von Jesus Christus schuld seien.

Luther hoffte zwar am Anfang seiner Karriere, dass eine erneuerte Kirche die Juden und Jüdinnen für den christlichen Glauben gewinnen werde. In seinen später erschienen Schriften vertrat er jedoch die Ansicht, dass die getauften Jüdinnen und Juden eine besonders große Gefahr darstellen. Er rief dazu auf Synagogen niederzubrennen, jüdische Personen zu Zwangsarbeit zu verpflichten und jüdische Lehren zu verhindern. Zudem verbreitete er Verschwörungserzählungen und behauptete dass jüdische Ärzt:innen ihre (christlichen) Opfer langsam und unauffällig vergiften würden. 

Ist das wirklich Antisemitismus? 

Es gibt in der Antisemitismusforschung und auch darüber hinaus den Streit was Antisemitismus und was Antijudaismus ist. Grob gesagt, beschreibt Antijudaismus den Hass und die Hetze gegen Personen jüdischen Glaubens, der oftmals auf religiösen Konflikten basiert. Antisemitismus hingegegen sei der Judenhass der Nationalsozialisten, die jüdische Menschen als eigene „Rasse“ betrachteten. Auch bei Luther gibt es diese Debatte.

Im „Lutherjahr“ 2017 äußerte die evangelische Kirche immer wieder, dass Luther „antijudaistisch nicht antisemitistisch“ gewesen sei und sich damit vom 19. Jahrhundert und der Zeit des Nationalsozialismus unterscheide. Damit versuchten sie zu erreichen, dass man Luther weiter ehren kann. Jedoch war Luther „der wohl einflussreichste Publizist zur Judenfrage im deutschsprachigen Raum des 16. Jahrhunderts.“ (Vgl.  Kaufmann 2015, S. 171.) Und diese Unterscheidung hinkt: Luthers Hass gegen Juden war religiös motiviert und er betrachtete das Judentum als überholte Religion. Andererseits beschreibt er auch das „Wesen“ der Juden und verbreitet Verschwörungserzählungen. Ob antijudaistisch oder antisemitisch, Luther trug zur Verbreitung von Vorurteilen und Hass gegen jüdische Menschen bei.

Luther und die Hexenverbrennung

Luther verfasste außerdem frauenfeindliche Schriften und: „[…] predigte die Verfolgung aufständischer Bauern, machte Frauen verächtlich, nannte Muslime ‚Diener des Teufels‘ und forderte behinderte Kinder zu ertränken.“ so die Tageszeitung taz. Er habe zudem einen Teufels- und Hexenglauben vertreten und aktiv die Hinrichtung der Württembergerin Prista Frühbottin als „Hexe“ befürwortet.

Stand der Umbenennung

Die Initiative „Prista-Frühbottin-Straßen-Team“ forderte im September 2020 die Umbenennung der Martin-Luther-Straße in Berlin-Schöneberg. Als Grund gab die Initiative dessen antisemitische und frauenfeindliche Haltung an. Prista Frühbottin war eine Württembergerin, die 1540 als „Hexe“ verbrannt wurde. Das so viele Straßen in Berlin nach Luther benannt sind, erklärt die Initiative mit dem Einfluss des preußischen Kaiserhauses, welches die evangelische Kirche als Staatskirche erklärte. Für das „Prista-Frühbottin-Straßen-Team“ käme die „Straße der Reformation“ als neuer Name in Frage, da sie die Reformation als Denkrichtung verstehen. Die Rolle Luthers als Vertreter dessen, stehe für die Initiative allerdings in einem direkten Zusammenhang zu seiner Nähe zum preußischen Kaiserhaus und sei deshalb umzubenennen.

Die im September 2020 adressierten Parteien reagierten verhalten auf den Vorschlag. Nur Die Linke antwortete auf die Anfrage und verwies auf eine kritische Kommentierung, nicht aber auf eine Umbenennung. Vertreter:innen der evangelischen Kirche äußerten sich gegen eine Umbenennung. Felix Sassmannshausen schlägt in seinem Dossier „Straßen- und Platznamen mit antisemitischen Bezügen in Berlin“ von 2021 eine Umbenennung vor.

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