Nettelbeckplatz

Wedding

Der Nettelbeckplatz wurde nach Joachim Christian Nettelbeck (1738 – 1824) benannt. Er arbeitete lange Zeit als Seemann für u.a. die Niederländische Westindien-Kompanie, für welche er als Obersteuermann auf Sklavenschiffen im transatlantischen Versklavungshandel tätig war. Er war am Menschenhandel beteiligt und über Jahrzehnte als Koloniallobbyist aktiv.

Nettelbeck wurde für seine Rolle als Retter der Stadt Kolberg vor den napoleonischen Truppen 1807 von den Nationalsozialisten im Film „Kolberg“ geehrt. Später schrieb er über sein Leben ein Buch mit dem Titel „Ein Mann Des Seefahrers und aufrechten Bürgers“. Er war am Menschenhandel beteiligt und über Jahrzehnte als Koloniallobbyist aktiv. Bereits als Kind fuhr er auf einem niederländischen Schiff nach Surinam. Später wurde er selbst Seemann und arbeitete u.a. für die Niederländische Westindien-Kompanie. Für diese war er als Obersteuermann auf Sklavenschiffen im transatlantischen Versklavungshandel tätig.

Im Jahr 1806 wurde die Stadt Kolberg von napoleonischen Truppen belagert. Nettelbeck führte eine bürgerliche Opposition an und sorgte dafür, dass der führende Kommandant, Moritz von Lucadou, den er als potenziellen Verräter ansah, entlassen wurde.

Als 1806 Kolberg eine der wenigen preußischen Festungen war, die nicht vor Napoleon Bonaparte kapitulierten, war Nettelbeck als Bürgerrepräsentant Führer der Opposition gegen den Kommandanten Ludwig Moritz von Lucadou, den er als potentiellen Verräter, zumindest als Unglück für Kolberg, ansah. Nach Beginn der Kampfhandlungen im März 1807 riskierte Nettelbeck seinen Kopf, indem er an der Spitze gleichgesinnter Bürger und Beamter konspirativ beim König Friedrich Wilhelm III. die Absetzung Lucadous betrieb. Dem Nachfolger Major Gneisenau gelang es, die Nettelbeckpartei zur Mitarbeit zu gewinnen, indem er Nettelbeck, dessen Amt wegen der künstlichen Überschwemmungen um Kolberg ohnehin von höchster Wichtigkeit für die Verteidigung der Festung war, auch zu Erfassungs- und Kontrollaufgaben innerhalb der Bürgerschaft einsetzte und als Sachverständigen anerkannte.

Der Nachfolger Major Gneisenau nutzte Nettelbecks Stellung innerhalb der Befestigung zur Erfassungs- und Kontrollaufgaben innerhalb der Bürgerschaft und als Sachverständiger.
Nachdem Großbritannien den Sklavenhandel 1807 verboten hatte, distanzierte sich Nettelbeck zwar von der gewaltsamen Verschleppung von Menschen, relativierte seine eigenen Handlungen aber auch. So schreibt er in seinen Lebenserinnerungen: “Vor 50 Jahren war und galt dieser böse Menschenhandel als ein Gewerbe, wie andre, ohne daß man viel über seine Recht- oder Unrechtmäßigkeit grübelte. Wer sich dazu brauchen ließ, hatte die Aussicht auf einen harten und beschwerlichen Dienst, aber auch auf leidlichen Gewinn. Barbarische Grausamkeit gegen die eingekaufte Menschen-Ladung war nicht nothwendiger Weise damit verbunden und fand auch wohl nur in einzelnen Fällen statt; auch habe ich, meines Theils, nie dazu gerahten oder geholfen.“[7]

Dennoch ist klar, Nettelbeck bereicherte sich durch die Verschleppung von Menschen. Darüber hinaus nutzte er das Privileg des Obersteuermanns am Handel mit Goldstab zu verdienen. Laut der Historikerin Sarah Lentz weist eine Stelle seiner Autobiographie darauf hin, dass Nettelbeck mindestens einen persönlichen Sklaven hatte und damit selbst Sklavenhalter war.

Stand der Umbenennung

In Januar 2021 gab es eine erste Kundgebung zur Umbenennung des Nettelbeckplatzes von der Kampagne “Wirwollenunslebend“, welche wiederum vom Netzwerk gegen Feminizide ins Leben gerufen wurde. Der Platz ist bis zur Umbenennung als Widerstandsplatz ausgerufen.

Zurzeit werden weitere Strategien besprochen. Die Hauptbeteiligten an der Diskussion sind die aktivistischen Gruppen Africavenir, Decolonize Berlin und Netzwerk gegen Feminizide. Im Mai 2021 wurde ein Antrag für die Umbennenung des Nettelbeckplatzes im Ausschuss Kultur der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Mitte eingereicht. Am 19. August 2021 wird darüber in der BVV Mitte abgestimmt.

Literatur

[1]https://www.africavenir.org/fileadmin/downloads/occasional_papers/Dossier_kolonialistische_stras sennamen.pdf

[2]https://de.wikipedia.org/wiki/Nettelbeckplatz

[3]https://weddingweiser.de/frisch-rausgeputzt-hat-der-nettelbeckplatz-nicht-noetig/

[4]https://wirwollenunslebend.wixsite.com/netzwerkggnfeminizid/projekte

[5]https://anfdeutsch.com/frauen/berlin-widerstandsplatz-gegen-patriarchale-gewalt-ausgerufen- 24100

[6]https://www.neues-deutschland.de/artikel/1147369.femizide-platz-fuer-widerstand.html

[7]https://www.deutschestextarchiv.de/book/show/nettelbeck_lebensbeschreibung02_1821

[8]https://decolonizeerfurt.wordpress.com/

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