Sohnreystraße

Steglitz

Die Sohnreystraße wurde 1957 nach dem Lehrer, Schriftsteller und Verleger Heinrich Sohnrey (1859–1948) benannt, der sich in seinen Schriften antisemitisch, antiziganistisch und völkisch äußerte.

Heinrich Sohnrey wurde in Jühnde (Niedersachsen) geboren und starb in Neuhaus am Solling. Er hinterließ ein umfangreiches literarisches Werk und gründete den Verlag Deutsche Landbuchhandlung sowie mehrere Zeitschriften, wie das Archiv für innere Kolonisation (1909-1933), die ab 1934 unter dem Namen Neues Bauerntum weitergeführt wurde. Diese Zeitschrift war das publizistische Organ der Gesellschaft der inneren Kolonisation und des Deutschen Vereins für Ländliche Wohlfahrts- und Heimatspflege, welche sich für die Siedlungspolitik in den Ostgebieten des Deutschen Reichs einsetzten.

Blut und Boden Ideologie und Agrarromantik

Heinrich Sohnrey war Vertreter der sogenannten Blut-und-Boden-Bewegung, welche zentral für die nationalsozialistische Agrar- und Siedlungspolitik war. Diese agrarpolitische Ideologie wertete das Bauerntum und das ländliche Leben auf und definierte gleichzeitig einen “Volkskörper” mit dem legitimen Recht auf ein bestimmtes Siedlungsgebiet. Dieses “arisch-bäuerliche” Volksideal vereinigte ästhetische Ideale eines bäuerlichen Lebens mit der nationalsozialistischen Rassenlehre. Es beruhte auf dem Ausschluss der als “Nomaden” angesehenen Volksgruppen, der  Sinti:zze und Rom:nja, sowie den Jüdinnen und Juden.

Diese im 19. Jahrhundert entstehende Ideologie legitimierte die aggressive Expansions- und Vernichtungspolitik der Nationalsozialisten und wurde unter der Bezeichnung “Lebensraum im Osten” bekannt. So schrieb Heinrich Sohnrey in der nach dem Kriegsbeginn veröffentlichten Propagandaschrift “Landflucht ist Volkstod. An die Lehrer der Landjugend”:  “Das deutsche Schwert machte den Ostraum frei und gab ihn dem Mutterlande wieder. Nach dem Abschluß des Krieges wird ihn die Friedensarbeit durchdringen, und deutsches Leben wird sich entfalten.” Sein Weltbild kann als “christlich traditionell und agrarromantisch” beschrieben werden und ideologisierte die Heimatkunst nationalistisch und völkisch.

Sohnreys Verhältnis zum Nationalsozialismus

Obwohl Sohnrey niemals Mitglied der NSDAP wurde, kann man mit Sicherheit sagen, dass er von dem nationalsozialistischen Regime profitierte. Im Jahr 1934 wurde er mit den Ehrenbürgerschaften der Georg-August-Universität Göttingen und seiner Heimatgemeinde Jühnde geehrt. Außerdem erhielt er 1934 die Goethe-Medaille für Kunst und Wissenschaft. Fünf Jahre später, 1939, wurde Sohnrey von Adolf Hitler (1889-1945) mit dem Adlerschild des Deutschen Reiches ausgezeichnet. Sohnrey wurde als “ältester deutscher Vorkämpfer” für die Ziele des Gauheimatwerkes Süd-Hannover-Braunschweig e.V. geehrt und 1941 zum Ehrenmitglied ernannt. Diese Vereinigung förderte nationalsozialistische Arbeit. Gauleiter Hartmann Lauterbacher, der maßgeblich an der Deportation hannoverscher Juden beteiligt war, ernannte Sohnrey persönlich zum Ehrenmitglied und schrieb 1942 den Heinrich-Sohnrey-Wettbewerb aus. Auch wenn Gutachten zu unterschiedlichen Urteilen über die letzendliche Wegbereiterschaft von Heinrich Sohnrey kommen, so ist sein Opportunismus und auch seine ideologische Nähe unbestreitbar.

Ehrung nach 1945

Nach seinem Tod wurde sein nationalsozialistisches Engagement nicht kritisiert. Im Literaturatlas Niedersachsen wird argumentiert, dass er “lediglich” die Agrar- und Bodenpolitik der Nationalsozialisten begrüßte, da diese mit seinen ruralen Reformideen harmonieren würden. Zudem wird Sohnrey hier als ein unter dem Regime leidender Schriftsteller dargestellt, da einige seiner Schriften verboten worden wären. Laut dem Literaturwissenschaftler Frank Möbus, lässt sich dies jedoch entkräften, da es keine Hinweise auf Repressionen seiner Person gäbe und keine seiner Schriften verboten wurden. Zudem gehörte er zu den 88 Schriftsteller:innen, die 1933 das “Gelöbnis treuester Gefolgschaft für Adolf Hitler” unterzeichneten. Seinen 1932 erschienen Roman Wulf Alke bewarb Sohnrey ein Jahr später mit einem Zitat aus Adolf Hitlersreichparteitagsrede. Seine Werke wurden teilweise Bestand der Lehrpläne nationalsozialistischer Bildungsinstitutionen.

In seiner 1934 erschienen Autobiografie Zwischen Dorn und Korn schrieb Heinrich Sohnrey: “Und gewaltig wie Hitlers Reden sind auch die Taten, mit denen der größte und, wie wir glauben, nachhaltigste Volksumbruch zutage trat, der je in einem Kulturlande der Welt erlebt wurde.” Seine Überzeugung gegenüber der nationalsozialistischen Weltanschauung machte er somit mehr als deutlich –  auch ohne Parteimitgliedschaft.

Späte Aufarbeitung

Durch Frank Möbus Veröffentlichung In Sachen Heinrich Sohnrey im Jahr 2011, wurde erstmals historisch aufgearbeitet, dass Sohnrey bereits vor 1933 überzeugter Nationalsozialist war und seine Ideen nicht “ahnungslos missbraucht” wurden, wie es teilweise in seiner Rezeption hieß. Auch dadurch, dass Sohnrey in seinem eigenen Verlag veröffentlichte, wird noch einmal deutlich, dass seine Werke nicht ergänzt oder verändert wurden. Auch ein 2013 erschienenes Gutachten des Seminars für mittlere und neuere Geschichte der Universität Göttingen kommt zu dem Schluss, dass Sohnrey vor, während und nach dem Kriegsende völkische und rassistischeRassismusDer Begriff Rassismus lässt sich als ein Diskriminierungsmuster und Ausdruck gesellschaftlicher Machtverhältnisse beschreiben. In modernen Gesellschaften sind es vor allem kulturelle Merkmale, über die Menschen abgewertet und ausgeschlossen werden. Das hat Auswirkungen auf die Wahrnehmung von Chancen und die Möglichkeiten der gesellschaftlichen Integration der Betroffenen. Ideologien vermittle.

Antiziganismus in Sohnreys literarischem Werk

In Heinrich Sohnreys literarischen Werken spiegelt sich seine völkische und rassistischeRassismusDer Begriff Rassismus lässt sich als ein Diskriminierungsmuster und Ausdruck gesellschaftlicher Machtverhältnisse beschreiben. In modernen Gesellschaften sind es vor allem kulturelle Merkmale, über die Menschen abgewertet und ausgeschlossen werden. Das hat Auswirkungen auf die Wahrnehmung von Chancen und die Möglichkeiten der gesellschaftlichen Integration der Betroffenen. Weltsicht deutlich wider. Insbesondere in dem 1928 erschienenen Werk Das schwarzbraune Mädelein, welches 1938 in Neuauflage unter dem Namen Das fremde Blut erschien, greift Sohnrey auf antiziganistische Motive und Rhetoriken zurück. In dem Roman wird das Motiv der “Blutreinheit” thematisiert und die verheerenden Folgen für eine (Dorf-) Gemeinschaft und ihre Individuen, sollten sie – oder Mitglieder aus ihrer Gemeinschaft – mit anderen Volksgruppen, insbesondere mit Sinti:zze und Rom:nja Beziehungen eingehen und Nachkommen erzeugen.

Die Geschichte handelt von Lisette, der Tochter eines Kleinbauern. Hans Fink, der als neuer Knecht bei einem Förster anfängt zu arbeiten, bei dem Lisette als Magd eingestellt ist, verliebt sich in sie. Lisette hingegen verliebt sich in Anrus Tampa, der im Buch als “Zigeuner” bezeichnet wird. Schließlich verschwindet Lisette und Hans wird fälschlich beschuldigt, kann aber einer Verurteilung entgehen. Hans Mutter begeht Selbstmord, während Lisette, die Anrus Tampa in die Karpaten gefolgt ist, von diesem erstochen wird, als sie nach Deutschland zurückkehren möchte. Dass Anrus Tampa der Mörder Lisettes ist, also der “Böse”, ist eine antiziganisische Erzählweise: Lisettes Beziehung zu Anrus Tampa führt nicht nur zu ihrem eigenen Tod, sondern das gesamte Dorf leidet an Konsequenzen aus dieser Beziehung.

Dies stellt Beziehungen zu Sinti:zze und Rom:nja als gefährlich dar, nicht nur für die Personen, die die Beziehung eingehen, sondern eben auch die gesamte Gesellschaft. Insgesamt wird die “Vermischung” von Deutschen mit Menschen “anderer Rassen” verurteilt, was sehr an die Nürnberger Gesetze (1935) erinnert, die auch die Ehe zwischen Sinti:zze und Rom:nja, mit “reinrassigen” Deutschen kriminalisierten. Sinti:zze und Rom:nja werden in Sohnreys Werk als Gefahr und als “die Anderen” anstatt als Teil der Dorfgemeinschaft dargestellt. Diese Unterscheidung wird anhand ihres “Bluts” getroffen, was fremdenfeindliche Ansichten biologisiert und naturalisiert. Damit werden die Unterschiede auch als unveränderlich dargestellt. Auf der Grundlage dieser Ideologie wurde im Nationalsozialismus auch die Verfolgung und Vernichtung von als “minderwertig” geltenden “Rassen” legitimiert.

 

Antisemitismus in Sohnreys literarischen Werken

Auch antisemitische Motive spiegeln sich in Sohnreys literarischen Werken wider. Als Beispiel hierfür kann seine 1899 erschienene Geschichte Die Dreieichenleute gelten. In dieser Geschichte werden insbesondere antisemitische Motive wie Habgier, Schadenfreude und Hinterhältigkeit aufgegriffen und verdichtet. Die Geschichte erzählt von dem Verkauf eines Landhofes durch den jüdischen Geschäftsmann Isaak Jakobssohn, der die seit Generationen den Hof bewirtschaftende Familie um ihren Besitz betrügt. Daraufhin stirbt die Bäuerin, sowie kurz darauf auch der Bruder des Bauern. Die Geschichte stellt einen Kontrast zwischen dem als bedrohlich dargestellten Juden und dem rechtschaffenen, aber auch beeinflussbaren “deutschen” Bauern dar.

Sohnreys Bücher erfreuten sich im Nationalsozialismus sowie in der Nachkriegszeit großer Beliebtheit und wurden mehrfach neu aufgelegt. Sein Wirken wurde durch die Benennung der Sohnreystraße in Berlin Steglitz (12169) im Jahr 1957 geehrt.

Stand der Umbenennung

Aktuell gibt es keine Initiative, die Sohnreystraße in Berlin umzubenennen. In anderen deutschen Städten gab es bereits erfolgreiche Umbenennungen, wie beispielsweise in Göttingen und Hannover. Hier wurde mit der im Text beschriebenen antisemitischen und rassistischenRassismusDer Begriff Rassismus lässt sich als ein Diskriminierungsmuster und Ausdruck gesellschaftlicher Machtverhältnisse beschreiben. In modernen Gesellschaften sind es vor allem kulturelle Merkmale, über die Menschen abgewertet und ausgeschlossen werden. Das hat Auswirkungen auf die Wahrnehmung von Chancen und die Möglichkeiten der gesellschaftlichen Integration der Betroffenen. Einstellung Sohnreys und seiner Rolle im Nationalsozialismus argumentiert.

Unsere Empfehlung

Wegen seines Antiziganismus und Antisemitismus, sowie seiner Unterstützung des Nationalsozialismus und Adolf Hitlers persönlich, sehen wir keinen Grund, Heinrich Sohnrey im Berliner Stadtraum zu ehren und fordern daher eine Umbenennung der Sohnreystraße.

Literatur

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