Carl-Diem-Gedenktafel

Adlershof

Am Marathontor des Berliner Olympiastadions befindet sich eine Gedenktafel Carl Diems (1882-1962), welche seit 1962 an einen der “bedeutendsten“ Sportfunktionäre Deutschlands erinnert. Er prägte den modernen Sport und gilt als Gründer des Deutschen Sportabzeichens, sowie der Reichsjugendwettkämpfe, dem Vorläufer der heutigen Bundesjugendspiele.

Carl Diems Rolle im Nationalsozialismus und sein antisemitisches Gedankengut werden seit 1985 zunehmend kritisch beleuchtet, nachdem der ehemalige ZDF-Chefredakteur Reinhard Appel, im Rahmen einer Rede zu den Olympischen Spielen, den Sportfunktionär Carl Diem erstmals öffentlich in Frage stellte. Dass die Sportwissenschaft bis heute keine umfassende Analyse ihrer nationalsozialistischen Vergangenheit geleistet hat, ist durchaus auch auf Carl Diem zurückzuführen. Dieser stellte sich nach 1945 – zu Unrecht – als Opfer des NS-Regimes dar. Mit seiner Behauptung, der Sport sei frei von Einflüssen des NS-Regimes geblieben und habe mit dessen Verbrechen genauso wenig zu tun wie er selbst, schuf er eine bis heute nachwirkende und problematische Sichtweise.

Rolle während des Nationalsozialismus

Für Carl Diem hatte der Sport einen “besonderen Kampfcharakter”, weshalb er nach dem Verbot der Wehrpflicht durch den Versailler Vertrag die Reichsjugendwettkämpfe konzipierte, die den Sport als Wehrersatz sahen. Ab 1930 lehrte er an der Berliner Universität und versuchte den Sport als akademische Disziplin zu manifestieren. Auch die Sportpädagogik sah er als “geistige Jugendführung” und “Erziehung zur Opferfreudigkeit“.

Obwohl Carl Diem 1933, nach Machtübernahme der NSDAP zunächst als “politisch unzuverlässig“ eingestuft wurde und auch während der NS-Zeit kein Mitglied der NSDAP war, scheute er nicht davor die Strukturen des Regimes zu seinem eigenen Vorteil zu nutzen. Als Generalsekretär des Organisationskomitees gestaltete er die Olympischen Spiele 1936 in Berlin entscheidend mit und verschleierte die antisemitischen Missstände des Deutschen Reichs nach außen hin. Zudem war er Initiator des Olympischen Fackellaufs, der 1936 zu propagandistischen Zwecken des NS-Regimes diente und bis heute unkritisch fortgeführt wird. Er rezipierte antisemitische Autoren wie Julius Langbehn oder Paul de Lagarde und sah die “weiße Rasse” als überlegen an. Darüber hinaus soll er ab 1943 von der Shoah gewusst haben.

Kurz vor Ende des zweiten Weltkriegs hat Diem in einer Opferrede vor Mitgliedern der Hitlerjugend und dem Volkssturm, einer militärischen Formation zu denen sechs Millionen, waffenfähigen Jungen und Männer zwischen 16 und 60 Jahren berufen wurden, zum “finalen Opfergang für den Führer und das Vaterland“ aufgerufen. Zu diesem späten Zeitpunkt des Krieges hat dieser Aufruf den sicheren Tod vieler junger Menschen bedeutet, da sie militärisch schlecht ausgebildet und ausgerüstet waren. Wie viele Menschen als Folge seiner Rede ihr Leben verloren, bleibt unklar, allerdings wird die Anzahl der Toten und Vermissten des Volkssturms auf ca. 100.000 Personen geschätzt.

Stand der Umbenennung

Im Januar 1992 wurde die Gedenktafel Carl Diems vom ”Kommando Lutz Grüttke“ entführt. Auslöser der Aktion war die 1991 beantragte Bewerbung Berlins für die Olympischen Sommerspiele 2000 beim Nationalen Olympischen Komitee. Kritisiert wurden dabei vor allem die hohen Kosten, welche für Umstrukturierungsmaßnahmen, Logistik und Infrastruktur nötig gewesen wären, auf Kosten der ärmeren Bevölkerungsschichten Berlins. Die Gruppe stellte der Stadt Berlin ein Ultimatum, sodass bei einer Nicht-Rücknahme der Bewerbung die Tafel eingeschmolzen werden würde, was nach Ablauf der Frist dann auch geschah. Die aktuelle Tafel ist eine Nachbildung der gestohlenen Tafel. Sowohl das Original der Gedenktafel als auch die Mitglieder der Gruppe sind bis heute nicht ausfindig gemacht worden. Es wurde sich also Ende der 1990er Jahre entschlossen die Gedenktafel noch einmal herzustellen und Carl Diem weiterhin zu ehren.

In Deutschland sind bereits einige Umbenennungen vollzogen worden. Die Carl-Diem-Sporthalle in Würzburg beispielsweise, wurde 2004 zunächst in die S.Oliver-Halle umbenannt und heißt seit 2022 tectake Arena. Auch der “Carl-Diem-Weg 6“, die Adresse der Deutschen Sporthochschule in Köln, in der Carl Diem als Gründungsrektor bis zu seinem Tod 1962 aktiv war, wurde 2008 umbenannt (“Am Sportpark Müngersdorf“)

Literatur

Gruppe Panther & Co. (2021). Rebellisches Berlin: Expedition in die untergründige Stadt, Assoziation A., S. 62-64.

Copley, C. (2020). Nazi Buildings, Cold War Traces and Governmentality in Post-Unification Berlin, Bloomsbury Publishing, S. 104-106.

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